FUTURI Arbeitsintegrations-Coaching

Erfahrungsbericht von Jamilah aus Somalia.

Jamilah* wurde im Mai 2017 bei der Stiftung Futuri angemeldet, um den Berufseinstieg zu begleiten. Zum Zeitpunkt der Anmeldung war die junge Frau 19 Jahre alt und erwerbslos. Jamilah wuchs in Somalia auf und praktizierte den muslimischen Glauben sehr konsequent. Sie kam zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Bruder in die Schweiz. Die Mutter verliess die Kinder nach kurzer Zeit. Seither lebte Jamilah bei ihrer Tante und deren Familie. Bei Programmstart trug Jamilah den Hijab. Das Kopftuch gab ihr Sicherheit und war auch wichtig, um sich in ihrem vertrauten Umfeld zugehörig zu fühlen.

 

Sie äusserte den Wunsch, eine Lehre im Detailhandel zu absolvieren. Da die Zeit bis zum Start der Berufslehren nur noch sehr kurz war, konzentrierten wir uns sofort auf die Lehrstellensuche und organisierten Schnupperlehren und Vorstellungsgespräche in verschiedenen Betrieben. Jamilah erlebte mehrfach eine ablehnende Haltung von Seiten der Arbeitgebenden. In einem sorgsamen, schrittweisen Coaching-Prozess entschied sich Jamilah dafür, zu Vorstellungsgesprächen und Schnuppereinsätzen die Kopfbedeckung abzulegen. Sie erlebte, dass sie so ganz anders wahrgenommen wurde und ihre Chancen für eine Lehrstelle dadurch stiegen. Da Jamilah bisher nur wenig Schulen besuchen konnte und für eine Berufslehre noch nicht bereit war, absolvierte sie eine Vorlehre im Detailhandel. Sie war sehr glücklich, dass sie endlich eine Tagesstruktur hatte und damit ihre berufliche Zukunft starten konnte. Das Vorlehrjahr gestaltete sich jedoch anspruchsvoll. Jamilah hatte immer wieder mit gesundheitlichen Beschwerden zu kämpfen und musste die Ernährung umstellen. In der Familie und im Freundeskreis stiess sie auf Unverständnis, da sie keinen Hijab mehr trug. Sie ist eine Kämpferin und entwickelte immer mehr Selbstvertrauen. Sie ging auch zur Arbeit, wenn sie sich nicht gut fühlte. Schulisch kam sie sehr an ihre Grenzen, vor allem in der Mathematik fehlten ihr die Grundlagen und das Bildungsfundament. Mit Unterstützung eines individuellen Lerncoachings bei Futuri schaffte sie es knapp, die Vorlehre mit genügenden Noten abzuschliessen.

 

Es begann eine Phase der Unsicherheit, Demotivation und Suche nach neuen Wegen. Futuri und glücklicherweise auch die Sozialberaterin bei der Gemeinde gaben ihr die notwendige Zeit, um ihre Interessen, Stärken und Möglichkeiten zu erkennen. In einem gemeinsamen Prozess entschied sich Jamilah im Laufe des Jahres 2018 für den Pflegeberuf. Das Berufsinteresse wurde einerseits durch Schnupperlehren und auch durch freiwillige Einsätze als Begleiterin von Ferienlagern für beeinträchtigte Jugendliche bestätigt. Da Jamilah den Anforderungen einer Berufslehre noch nicht entsprechen konnte, entschieden wir uns für ein Praktikum, um ihre Eignung für den Beruf und allfällige Weiterentwicklungsmöglichkeiten zu erkennen. Jamilah absolvierte von Februar bis Juli 2019 ein Berufseinstiegspraktikum in einer Alterswohngruppe und besuchte parallel dazu den SRK-Pflegehelferkurs Modul 1.

Das neue Berufsfeld gefiel ihr sehr und sie konnte sich gut in das Team integrieren. Am Arbeitsort konnte sie sich positiv einbringen und wurde sehr geschätzt für ihren einfühlsamen Umgang mit den Bewohner:innen. Leider waren alle Praktikums- und Lehrstellen schon besetzt, weshalb ab August 2019 eine neue Stelle gesucht werden musste. Damit Jamilah den SRK-Kurs Modul 2 absolvieren konnte, musste schnell ein neuer Einsatzort gefunden werden. Futuri konnte Jamilah eine Stelle im Alterszentrum Mittelleimbach ab Mitte August 2019 vermitteln. Trotz langem Arbeitsweg und nicht idealer Teamkonstellation zeigte Jamilah Durchhaltewillen, da sie unbedingt den SRK-Pflegehelferkurs abschliessen wollte. Nach 3 Monaten wurde der Praktikumsvertrag nach der Probezeit aufgelöst. Jamilah machte die Erfahrung, dass ihr die Arbeit in einer sehr grossen, hektischen und eher anonymen Institution nicht entsprach, was für die weitere Stellensuche sehr hilfreich war. Im November 2019 konnte Jamilah den SRK-Pflegehelferkurs erfolgreich abschliessen und wollte danach eine Festanstellung in diesem Beruf finden. Es folgte eine herausfordernde Zeit, da Jamilah viele Absagen auf ihre Bewerbungen erhielt und erkennen musste, dass es nicht viele Stellenangebote für Pflegehelfer:innen gab. Die Situation der Arbeitslosigkeit belastete Jamilah so sehr, dass sie in eine depressive Phase fiel. Dank dem guten Vertrauensverhältnis und der engen Begleitung konnte sehr schnell reagiert werden. Obwohl Jamilah sich zuerst gegen ein neues Praktikum wehrte, liess sie sich im Februar 2020 doch darauf ein, da sie nicht mehr länger ohne Arbeit zu Hause bleiben wollte. Aufgrund der bisherigen Arbeitserfahrungen und Rückmeldungen suchten wir eine Praktikumsmöglichkeit in einem überschaubaren, ruhigen Umfeld. Im Februar konnte Jamilah mit dem Praktikum in einer Wohngruppe des Alters- und Gesundheitszentrums Dietikon starten. Sehr schnell erholte sie sich von der Krise und konnte sich gut ins Team integrieren. Im Laufe des Praktikumeinsatzes ergab sich die Perspektive für die Lehrstelle Assistentin Gesundheit und Soziales AGS ab August 2020.

Jamilah startete mit viel Motivation und Freude in das erste Lehrjahr. Zu Beginn brauchte sie noch viel Unterstützung, um sich an der Berufsfachschule zu organisieren und mit den verschiedenen Online-Lerntools zurecht zu kommen. Mittlerweile hat sie sich aber gut eingelebt und versucht immer häufiger, Aufgaben selbständig zu meistern. Für schriftliche Arbeiten und Verständnisfragen ist sie aber nach wie vor auf Hilfe angewiesen, die sie auch regelmässig in Anspruch nimmt. Am Arbeitsplatz wird sie für ihre immerzu fröhliche und positive Art sehr geschätzt. Sie hat einen herzlichen Umgang mit den Bewohner:innen und findet schnell Zugang. In der Kommunikation hat Jamilah manchmal etwas Mühe, sich im Gespräch zu fokussieren und ihr Anliegen deutlich zu machen. Sie verliert dann den roten Faden und es dauert eine Weile, bis sie auf den Punkt kommt, was im hektischen Arbeitsalltag verbessert werden sollte. Jamilah hatte im vergangenen Jahr immer wieder mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Im Futuri-Coaching mit Lerncoach oder/und Job Coach werden immer wieder Themen zur Verbesserung von Kommunikation, Verhaltenssicherheit, Umgang mit Kritik und Umgang mit eigenen Ressourcen besprochen. Jamilah konnte bereits vieles in ihrem Alltag umsetzen und macht laufend Fortschritte. Wir sind zuversichtlich, dass Jamilah die Lehre im Juli 2022 erfolgreich abschliessen kann und danach eine Festanstellung als ausgebildete Pflegefachkraft finden wird.

Dank der Möglichkeit, Jamilah über lange Zeit begleiten zu können, konnte die Stiftung Futuri ihrem Rhythmus entsprechend die Berufsintegration so gestalten, dass sie auch nachhaltig ist. 

(*Name geändert)

Alle Fotos zeigen Teilnehmende an den Integrationsprogrammen der Stiftung Futuri in ihrem Arbeitsumfeld. Sie haben sich mit der Veröffentlichung ihrer Fotos einverstanden erklärt.

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